Altarraum geschmückt mit Gemüse zum Erntedankfest
Predigt

27. Sonntag im Jahreskreis B
There Is No Planet B

There is no planet B – es gibt keinen Planeten B. Das ist einer der plakativen Sprüche der Klimabewegung Fridays for Future.

Dankbarkeit, also das Gefühl, das am Erntedankfest zum Ausdruck kommen soll, wird darin allenfalls auf den zweiten Blick deutlich. Eher schon ist es ein Klagen, ja ein Anklagen über Versäumnisse der Vergangenheit – und der Gegenwart. Aber: Dankbarkeit und Klage sind miteinander vereinbar.

Dankbarkeit und Klage sind vereinbar

Vermutlich alle würden mir zustimmen, wenn ich sage: die Welt ist nicht perfekt. Vieles gibt es, was uns an unseren Mitmenschen, unserer Gesellschaft und unserer Kirche stört. Auch die Umwelt ist nicht nur friedlich – wer könnte das nach dem Hochwasser im vergangenen Sommer bestreiten?

Diese Erfahrung hatten auch schon die Menschen der Bibel. Besonders das Alte Testament ist voll von Klagen, auch Gott selbst wird angeklagt. Am Ende aber mündet die Klage immer doch in Dankbarkeit, weil sich die Menschen im Letzten Gott verdankt wissen. Klagen vor Gott zu bringen, ist somit ein ur-christliches Verhalten. Der Ahr-Psalm ist eine stimmige Aktualisierung dieser Gebetsweise.

Auch Jesus ist die Erfahrung nicht fremd, dass die Welt nicht perfekt ist. Das klingt im heutigen Evangelium (Mk 10,2–16) an, zeigt sich bei Streitigkeiten bis hin in den Jüngerkreis und schlägt vollends am Ölberg kurz vor seiner Kreuzigung durch („lass den Kelch an mir vorüber gehen“, Mt 26,39). Doch er lässt sich in seinem Leben und Sterben nicht von der Überzeugung abbringen: das Reich Gottes ist bereits angebrochen – auch wenn es noch nicht vollendet, nicht perfekt ist.

Als Menschen machen wir die Erfahrung, dass wir Vieles nicht selbst beeinflussen können. Und dennoch nehmen die Dinge, auf die wir Einfluss haben, immer mehr zu – im Guten wie im Schlechten. Daraus erwächst eine Verantwortung für uns alle.

Sich Gott verdankt zu wissen, führt zu Verantwortung

There is no planet B – aber ein Planet A. Und die Verantwortung auf diesem Planeten A ist den Menschen von Beginn an übertragen. In der ersten Lesung (Gen 2,18–24) haben wir einen Teil des zweiten Schöpfungsberichts gehört. Der erste Schöpfungsbericht handelt von der Erschaffung der gesamten Welt durch Gott, im zweiten steht stärker der Mensch im Fokus. Bemerkenswert ist eine Parallele: Gott benennt bei der Erschaffung der Welt die Geschöpfe: Tag und Nacht, Himmel etc. Im zweiten Bericht überträgt er diese Aufgabe dem Menschen: er soll den Tieren Namen geben. Darin drückt sich Macht aus, Verantwortung, Einfluss: Wer Dinge benennt, kann sie beeinflussen, beherrschen.

Was Gott nicht überträgt, ist der Besitz der Geschöpfe: Sie gehören nicht dem Menschen, sie gehören weiterhin Gott. Auch der Mensch gehört zu Gott, er ist von ihm abhängig oder umgekehrt: er verdankt sich ihm. Dankbarkeit und Verantwortung gehen also Hand in Hand.

Dankbarkeit und Verantwortung gehen Hand in Hand

There is no planet B. Wenn aber der Handlungsspielraum heute größer ist, erwächst daraus auch eine größere Verantwortung gegenüber dem Planeten A. Mich beeindruckt es sehr, wie vehement sich besonders junge Menschen für einen zukunftsweisenden Klimaschutz einsetzen. Das geschieht nicht aus einem politischen Kalkül oder der Lust am Konflikt. Viele Jugendliche haben schlicht und ergreifend Angst vor einer ungewissen Zukunft.

Mich erfüllt das mit Respekt aber auch mit Demut. Als ich um die Jahrtausendwende in dem Alter war, habe ich mich wie viele andere auch sehr für Politik interessiert, der Klimaschutz war aber in der Breite kein relevantes Thema. Vielleicht müsste heute Vieles weniger radikal sein, wenn wir uns schon damals lauter für Klimagerechtigkeit eingesetzt hätten.

Man kann darüber streiten, welche Maßnahmen die richtigen sind. Dass wir uns einschränken, zumindest aber unser Verhalten massiv verändern müssen, scheint mir außer Frage zu stehen.

Hinter diesem vehementen Engagement steht – oft nicht explizit – eine Dankbarkeit für die Schöpfung, eine Ehrfurcht vor dem Leben (vgl. Albert Schweitzer), eine Lust am Leben. Und die ist zutiefst christlich.

Wenn Jesus im heutigen Evangelium sagt: „Lasst die Kinder zu mir kommen, denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes“ (Mk 10,14) dann drücken sich damit im Blick auf das Erntedankfest zwei Dinge aus:

  1. Die Verantwortung für folgende Generationen, die auch Papst Franziskus in Laudato Si‘ einfordert (vgl. LS 159–162).
  2. Die Fähigkeit zum Staunen, das Interesse an der Natur und der Umgebung, das Wunderbare an Gottes Schöpfung.

Rufen wir uns nicht nur an Erntedank diese Fähigkeit zu Staunen immer wieder ins Bewusstsein.

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