
3. Adventssonntag
Das Wesentliche in den Mittelpunkt stellen
In den zwei Jahren meiner Berufseinführung zwischen Theologiestudium und Priesterweihe hatte ich zahlreiche Fortbildungen. Meist wechselten die Dozent:innen, und oft nahmen auch andere Personen an den Schulungen teil. Also mussten wir uns immer wieder gegenseitig vorstellen. Jedes Mal musste ich dann aufs Neue überlegen: Was ist außer meinem Namen in dieser Runde nützlich? Was gebe ich über mich preis?
Eine solche Vorstellungsrunde erlebt auch Johannes der Täufer. Dabei ist er Vielen schon bekannt, denn zahlreiche Menschen waren schon zu ihm gekommen, um sich taufen zu lassen. Da ist es höchste Zeit, dass auch mal von offizieller Stelle geschaut wird, wer dieser Johannes denn ist. Die Hoffnung, die viele mit ihm verbinden, ist, dass er der Messias, der Gesalbte Gottes ist, auf den gläubige Jüdinnen und Juden damals schon seit Jahrhunderten gewartet hatten. Das wäre also ein echter Grund zur Freude gewesen. In dieser Zeit der politischen Besatzung gab es viele Menschen, die sich als Messiasse ausgaben, aber keiner konnte die Erwartungen erfüllen. Es hätte Johannes also durchaus schmeicheln können, dass die Experten ausgerechnet zu ihm kommen. Er hätte es erst einmal drauf anlegen können und ein bisschen Ruhm ernten. Stattdessen sagt er geradeheraus: „Ich bin nicht der Messias.“
Damit sorgt er sicher zunächst einmal für enttäuschte Gesichter. Ein bisschen Hoffnung verbreitet er aber doch, indem er einen ankündigt, der weit bedeutsamer ist als er: Jesus. Er wird der Messias sein – auch wenn Johannes das hier noch nicht ausdrücklich sagt.
Ich finde das bemerkenswert. Obwohl Johannes im Rampenlicht steht, erliegt er nicht der Versuchung, sich größer zu machen, als er ist. Ganz im Gegenteil: er nimmt sich selbst aus dem Zentrum heraus und verweist auf einen anderen.
Gerade dadurch kommt ihm aber eine wichtige Funktion: „Dieser Johannes“, so hieß es am Beginn des Evangeliums, „kam als Zeuge […] für das Licht, damit alle durch ihn [Johannes] zum Glauben kommen“ (Joh 1,7). Johannes ist also derjenige, der den Glauben an Jesus Christus erst ermöglicht, indem er zur Seite tritt.
Johannes stellt Christus und seine Botschaft in die Mitte. Eine Botschaft, die sich im Buch Jesaja schon andeutet. Dort hieß es in der ersten Lesung, dass der Gesandte des Herrn kommt, um die frohe Botschaft zu den Armen zu bringen, gebrochene Herzen zu heilen und Gefangenen und Gefesselten die Freilassung zu verkünden (vgl. Jes 61,1). Jesus wird das später auf sich beziehen und so deutlich machen: mit seinem Kommen ist das Reich Gottes angebrochen, das allen Nationen Gerechtigkeit bringen wird (vgl. Lk 4,21).
Eine Gerechtigkeit, die noch nicht verwirklich ist. Darauf weisen auch die deutschen Bischöfe hin, wenn sie zur Adveniat-Aktion für Lateinamerika aufrufen.[1]
Adveniat, der Name der Aktion ist dem Vaterunser entnommen. Wenn wir darin beten: adveniat regnum tuum – „Dein Reich komme“, dann machen wir deutlich, dass wir auf das Kommen Christi angewiesen sind und darauf hoffen.
Vielleicht kann uns in den verbleibenden Tagen bis Weihnachten das Verhalten von Johannes noch einmal zum Fragen anregen: Wo muss ich aufhören, um mich zu kreisen? Wo muss ich mich zurücknehmen, damit Neues wachsen kann? Wo muss ich stattdessen jemand anderen in den Mittelpunkt rücken, damit Hoffnung und Gerechtigkeit ein bisschen weiterwachsen können?
[1] Vgl. Bischöfliches Generalvikariat Aachen, Aufruf der deutschen Bischöfe zur Aktion Adveniat 2023, Kirchlicher Anzeiger für die Diözese Aachen 118 (2023).

