Krippendarstellung mit Jesus, Maria und Josef und einigen weiteren Personen
Predigt,  Reisebericht

Weihnachten
Beziehungspflege zwischen Gott und Mensch

Im zurückliegenden Jahr wäre der Humorist Loriot 100 Jahre alt geworden. Ich mag seinen Humor, und Vielen geht es wohl ähnlich. Geschätzt wird er vor allem für sein Talent, Beziehungen zwischen Menschen auf den Punkt zu bringen, dabei vor allem Schwächen zu zeigen, ohne gehässig zu sein.

Weihnachten bei den Hoppenstedts ist so ein Beispiel. Da ist die Familienmutter, die alle aufkommenden Konflikte mit einem Lächeln im Keim erstickt; der Vater, der seine Nerven nur mit Mühe im Zaum halten kann; das Kind, dem alles zu langweilig ist; und der Opa, der mit seinem kindischen Verhalten die vorgespielte Harmonie arg ins Wanken bringt. Das gipfelt in dem Satz: „Früher war mehr Lametta!“

Menschen sind auf Beziehung ausgelegt

Kein Fest ist bei den meisten wohl so voll mit Gefühlen und Erwartungen wie Weihnachten. Oft trifft sich die ganze Familie, und die allermeisten genießen es wohl, endlich wieder einmal gemütlich beisammenzusitzen, mit lieben Menschen zu sprechen, die man lange nicht mehr gesehen hat.

Aber es gibt auch die andere Seite: Nicht mit jedem aus der Familie versteht man sich gleich gut, manch einer vertritt eine Meinung, die man nur schwer aushalten kann. Enge Beziehungen können schnell anstrengend werden.

Und manchmal fehlen Beziehungen und echte Bindungen auf einmal: wenn ein lieber Mensch gestorben ist, der im vergangenen Jahr noch dabei war; wenn ein Paar sich getrennt hat; wenn jemand in eine neue Stadt gezogen ist und die Familie zu weit weg ist. Viele Menschen haben deshalb gerade an Weihnachten Angst davor, einsam zu sein: Junge und Alte, Menschen mit wirtschaftlichen Sorgen.

Weihnachten führt uns auch vor Augen, wie stark unser Leben von Beziehungen geprägt ist. Und die gehen weit über Familie und Freunde hinaus: Wenn sich Handelsbeziehungen und Transportwege verändern wie jetzt im Suez-Kanal, macht sich das auch hier bemerkbar. Wenn das Klima sich verändert und Landstriche unbewohnbar werden, wirkt sich das auch auf unser Leben aus. Außerdem verdeutlicht es, wie eng wir mit der Natur verbunden sind, wie abhängig wir von ihr sind.

All das sind Beziehungen, die unser Leben bestimmen, Beziehungen, die sich verändern, Beziehungen, die uns verändern.

Gott gibt sich in eine neue Beziehung mit uns

Eine Beziehung, die zu Weihnachten auf eine völlig neue Ebene gehoben wird, ist die zwischen Gott und den Menschen. Wenn wir bekennen, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist, ist das viel mehr als nur ein theologischer Satz, es verändert unser Leben Grund auf. Dieser Gott, der Menschen oft so weit weg scheint, wird greifbar. Gott tritt in eine völlig neue Beziehung mit der Menschheit, nein: mit jedem einzelnen Menschen.

Gerade da, wo das Elend am größten ist, zeigt sich die Nähe zwischen Gott und den Menschen am stärksten. Gerade wo die Not am größten ist, nähert sich Gott den Menschen auf Augenhöhe an. Deswegen wird Jesus nicht in einem Palast mitten im Zentrum der Macht geboren, sondern am äußersten Rand unter widrigsten hygienischen Umständen: zwischen Kuhmist und Eseläpfeln.

Die Nähe zu Gott suchen

Aber was bedeutet es, wenn Gott in unsere Nähe kommt? Immer wieder hören wir den Satz: „Fürchtet euch nicht!“ Dieser Gott ist kein Gott, vor dem man Angst haben muss. Es ist ein Gott, der die Nähe sucht aus Liebe und der sich so angreifbar und verwundbar macht. Er lädt uns ein, diese persönliche Beziehung aufzubauen und immer weiter zu vertiefen, Gott nicht als ein Objekt, als er, sie oder es anzusehen, sondern Gott mit einem Du gegenüberzutreten: als Person. Denn eine Beziehung lebt ja davon, dass beide Seiten sie pflegen.

Wenn wir Menschen uns als Abbild Gottes verstehen und wenn wir Getaufte Jesus nachfolgen und ihn nachahmen, dann sind auch wir aufgerufen uns von dieser Art, sich den Menschen zu nähern, inspirieren zu lassen.

Eine Beziehung zu pflegen, heißt zunächst, sich hinzusetzen und zuzuhören.[1] Nicht sofort Lösungen parat zu haben, sondern zu verstehen, wie ein Mensch lebt, der Sorgen hat. Nicht zu wissen meinen, was der oder die andere braucht, sondern Bedürfnisse, Sorgen und Sehnsüchte herauszuhören. Nähe zu suchen und auszuhalten.

Dieses Kind in der Krippe, was so verletzlich scheint, kann gar nicht anders als zuzuhören und sich helfen zu lassen. Deswegen ist es gut, sich darin hineinzuversetzen.

Und zugleich ist dieses verletzliche Kind der Gott, der als der „Retter der Welt“ bezeichnet wird, als das „Licht, das die Menschen erleuchtet“.

Deswegen ist es gut, Gott gegenüberzutreten, sich von diesem Gott inspirieren und erleuchten zu lassen, damit unser Handeln immer mehr von der Beziehung geprägt ist, die Gott zu uns in Jesus aufbauen möchte.


[1] Franziskus, Enzyklika Fratelli tutti von Papst Franziskus über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 227, 3. Oktober 2020, Libreria Editrice Vaticana, herausgegeben vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2020, Nr. 48.

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