Mehrere Männer steinigen den Diakon Stephanus. Links ist ein Mann auf einem Pferd zu erkennen.
Predigt,  Religion

Stephanus (2. Weihnachtstag)
Mit Leidenschaft leben

Als ich den Abschnitt aus der Apostelgeschichte vor einigen Tagen gelesen habe, habe ich mich gefragt, weswegen Stephanus eigentlich gesteinigt wurde. Dass in Synagogen diskutiert wurde, war damals nichts Besonderes. Es war selbstverständlich, sich über die Auslegung der Schrift zu streiten. Wenn man sich heutige Diskussionen im Mittelmeerraum vor Augen führt, kann man sich vorstellen, wie lebhaft es da zugegangen sein muss.

Der eigentliche Auslöser aber, nämlich seine lange Rede, ist in der Leseordnung ausgelassen worden. Am Ende dieser Rede macht Stephanus seinen Gegnern einen harten Vorwurf: genau wie ihre Vorfahren die Propheten getötet haben, haben diese Leute den Messias getötet. Das bringt das Fass zum Überlaufen und sie töten Stephanus im Affekt.

Es würde zu weit führen, die Vorwürfe zu bewerten, die Stephanus erhebt, oder zu fragen, ob es klug war, so leidenschaftlich zu reden. Aber es zeigt sich, wie gefährlich es sein kann, für seine Überzeugungen einzutreten.

Das haben Christ:innen in den ersten Jahrhunderten immer wieder erleben müssen, und in manchen Ländern erleben sie bis heute Unterdrückung und Verfolgung. Nicht umsonst ist heute der Gebetstag für verfolgte und bedrängte Christ:innen.

Bis in unsere Zeit hinein wird Widerspruch von Diktaturen und autoritären Staaten nicht akzeptiert.

Der Jesuit Alfred Delp wurde von den Nationalsozialisten hingerichtet. Offiziell wegen Umsturzplänen im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli. Die Prozessakten legen aber nahe, dass es eher seine christlich-soziale Weltanschauung und seine Tätigkeit als Jesuitenpater waren, die ihm das Todesurteil einbrachten. Und jenseits vom Christentum erlangte Jina Masha Amini 2022 traurige Berühmtheit, weil sie kein Kopftuch getragen hat, deswegen im Iran verhaftet und dabei wohl tödlich verletzt wurde.

In Deutschland sind wir Gott sei Dank davon nicht bedroht. Wir können frei unsere Meinung äußern und wir können gegen Missstände demonstrieren. Umso drängender wird da die Frage: Für was setzen wir uns mit Leidenschaft ein? Gegen Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus? Für Gerechtigkeit? Für Gleichberechtigung? Für unseren Glauben an Jesus Christus? Und wenn ja: für welche Aspekte? Nur das bequeme wie etwa die Nächstenliebe? Oder auch die Liebe für die Feinde, so wie Stephanus im Moment seines Todes tut: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“

Wenn ich ehrlich zu mir bin, scheue ich mich schon da zu widersprechen, wo mal ein schlechter Witz über die Kirche oder meinen Glauben gemacht wird. Dabei wäre das doch wirklich das Geringste. Die größte Gefahr für den christlichen Glauben ist vermutlich nicht Widerspruch oder Widerstand, sondern Gleichgültigkeit. „Sollen die doch ruhig in die Kirche gehen. Sollen die doch ruhig an ein Leben nach dem Tod glauben.“ Wirklich anecken tut man damit heute nicht mehr.

Aber wird daraus noch eine Leidenschaft für Jesus Christus spürbar? Oder werden wir nicht auch ziemlich gleichgültig? Zumindest wenn es nicht gerade um die notwendigen Reformen in der Struktur Kirche geht. Ich meine den Glauben, etwa an die Auferstehung der Toten.

Und dennoch ist auf den zweiten Blick Leidenschaft wahrzunehmen: Wo Krankenpfleger aus ihrer Überzeugung heraus um Hilfsbedürftige kümmern. Wo Menschen unentwegt im Gebet Gott um Hilfe und Frieden bitten. Wo Menschen regelmäßig Angebote für Alleinstehende machen. Wo jemand davon redet, was das Wort Gottes für ihn oder sie im Alltag bedeutet. Das sind Situationen, in denen Menschen „voll Gnade und Kraft“ wie Stephanus handeln und Jesus Christus verkünden, egal wie ihr Umfeld darauf reagiert.

Bewahren wir uns etwas von dieser Leidenschaft!

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