
1. Adventssonntag
Hängen wir in der Warteschleife?
Die anstrengendsten Telefonate sind für mich Warteschleifen. „Zurzeit sind alle Mitarbeiter:innen in einem Gespräch“, heißt es dann oft. Manchmal folgt dann noch der Zusatz: „Die aktuelle Wartezeit beträgt zehn Minuten.“ Oft ist das der Moment, wo ich auflege, um es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu versuchen. Manchmal ist das Anliegen aber so wichtig, dass ich eben doch warte und die Zeit in Kauf nehme. Allerdings mache ich dann nebenher häufig noch irgendetwas anderes. Wenn es dann auf einmal in der Leitung klickt und eine menschliche Stimme mich begrüßt, muss ich dann erstmal meine Konzentration wiederfinden, um zu formulieren, weshalb ich anrufe.
Beim Warten ist es also wichtig, auch über eine lange Zeit aufmerksam zu bleiben, um im richtigen Moment dann nicht das Eigentliche zu verpassen.
Die Adventszeit ist ja auch so eine Wartezeit. Gerade für Kinder ist es eine aufregende Zeit: eine Kerze nach der anderen anzünden, ein Türchen nach dem anderen öffnen, und irgendwann ist er da der große Tage: Heilig Abend, Weihnachten!
Für uns Erwachsene kann es etwas nüchterner sein. Die Zeit des Wartens ist klar umrissen: drei bis vier Wochen, dann ist eben Weihnachten. Alle Jahre wieder. Wunderschön zwar hoffentlich, aber doch planbar.
Das ist aber allenfalls die halbe Wahrheit der Adventszeit. Denn die Kirche verbindet mit der Zeit eine doppelte Wartezeit. Einerseits natürlich die Vorbereitungszeit auf Weihnachten, eines der wichtigsten Feste unseres Glaubens, weil wir uns erinnern, dass Jesus geboren wurde oder – etwas theologischer – dass Gott Mensch geworden ist, um uns zu erlösen. Deswegen ist es gut sich darauf besonders vorzubereiten. Und dennoch: diese Geburt ist ja abgeschlossen, also nur eine Erinnerung.
Mit der Adventszeit ist aber noch eine weitere Erwartung verbunden: das Warten auf die sogenannte zweite Ankunft Christi, wenn er wiederkommen wird, um die Welt zu vollenden, für Gerechtigkeit und Frieden zu sorgen.
Von dieser Wiederkunft spricht Jesus im heutigen Evangelium. Und da sind wir deutlich näher an der Warteschleife, denn wir wissen nicht, wann das sein wird und was dann genau passiert, aber wir wissen, dass es immens wichtig ist.
Deswegen ermahnt Jesus uns, die Aufmerksamkeit hochzuhalten: „Seid wachsam“, sagt er gleich dreimal (und noch einmal in Bezug auf den Türhüter im Vergleich).
Und wie schaffen wir das? Paulus bezeichnet diese Zeit zwischen der ersten und zweiten Ankunft als „Gnadenzeit“, also eine geschenkte Zeit und nicht als eine Zeit ungeduldigen Wartens. Eine Zeit also, die wir bewusst gestalten sollen. Um wachsam zu sein, brauche ich zum einen Aufmerksamkeit und ich brauche etwas, das vielleicht am besten mit einem altmodischen Begriff zu beschreiben ist: Muße. Also die Möglichkeit, mir auch die Zeit zu nehmen, etwas jenseits von meinem Alltäglichen wahrzunehmen. Mich dem Stress zu entziehen.
Zugegeben eine Herausforderung, vielleicht gerade in einer Adventszeit, die so sehr von Erwartungen an sich selbst und andere geprägt ist. Das Internetportal der Deutschen Bischofskonferenz, katholisch.de, begleitet die Adventszeit in diesem Jahr mit der Aktion Weihnachten muss nicht. Weihnachten ist. Damit möchte es dazu ermutigen, sich der echten Gefühle bewusst zu werden: Ich muss nicht fröhlich sein, weil man das eben so macht. Ich darf nachdenklich sein, aber auch ausgelassen. Wichtig ist, in sich hineinzuhören, ehrlich mit sich zu sein. Auch das erfordert es, wahrzunehmen, wie es mir geht. Dazu brauche ich Muße. Dann habe ich auch die Sensoren, um wachsam zu sein und mich auf die zweite Ankunft Jesu vorzubereiten. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass diese besondere Zeit wirklich etwas Besonderes ist!

