
Hochfest Allerheiligen
Heilige: So bunt wie Glasflaschen
Von Zeit zu Zeit gehe ich – vermutlich genau wie Sie – zum Glascontainer, um Altglas zu entsorgen. Da gibt es dann ja meist drei Container: für weißes, grünes und braunes Glas. Das weiße Glas ist noch einfach zu ermitteln, bei der Unterscheidung, ob eine Flasche aber nun aus grünem oder braunem Glas besteht, tue ich mich dagegen oft schwer. Ich habe auch den Eindruck, dass der Übergang oft fließend ist und dass es von den Lichtverhältnissen abhängt, also davon, wie ich auf den Gegenstand schaue. Der Unterschied ist nicht so deutlich, es gibt nicht das klassische Schwarz und Weiß.
Wenn wir den Begriff „Heilige“ hören, dann ist das wohl bei den meisten von uns ganz anders. Wir denken, das seien Menschen, die in ihrem Leben von vorne bis hinten alles richtig gemacht haben und dann, sozusagen als Belohnung, von Gott eine besondere Ehre erhalten haben. Schaut man aber etwas genauer hin, dann erkennt man auch hier, dass es nicht so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick scheint – wenn man von Maria einmal absieht. Da gibt es Menschen wie den heiligen Paulus, der zunächst diesen „neuen Weg“, der sich an Jesus Christus orientiert, verfolgt und seine Anhänger:innen töten lässt. Er muss zunächst bekehrt werden, bevor er selbst zu einem überzeugten und überzeugenden Anhänger des jungen Christentums wird.
Die ersten Menschen, die im Christentum als Heilige verehrt werden, sind dann auch Personen, deren moralischer Lebenswandel keine Rolle spielte. Es sind die Märtyrer, also Menschen, die für ihren Glauben gestorben sind. An ihren Gräbern versammeln sich Gemeinden, feiern dort Gottesdienste. So entstehen die ersten Kirchen. Schon in der Offenbarung werden die Märtyrer thematisiert: die Männer in den weißen Gewändern, die sie „im Blut des Lammes reingewaschen“ haben. Mit anderen Worten: diese Menschen sind Christus im Tod nachgefolgt. Sie haben auch in der Bedrohung an ihrem Glauben festgehalten, nicht nur in der Antike, sondern immer wieder in Verfolgungen. Neuere Beispiele sind Edith Stein oder Maximilian Kolbe als Opfer der NS-Zeit, aber auch die sieben im algerischen Bürgerkrieg von Islamisten getöteten Ordensleute. Ihr bewegendes Schicksal wurde im Film „Von Menschen und Göttern“ verfilmt.
Andere Menschen, die wir in der katholischen Kirche heute als Heilige verehren, hatten durchgehend nicht nur Licht- als auch Schattenseiten. Ein gutes Beispiel ist Bernhard von Clairvaux, der im 12. Jahrhundert den Orden der Zisterzienser mitaufgebaut hat. Er wird als „gottesfürchtiger und frommer Mensch“ beschrieben wird – übrigens von Martin Luther, wohl weil er sich in seinem Leben stark am Evangelium orientiert hat. Gleichzeitig war er aber ein Verfechter von Kreuzzügen und allgemein religiösen Kriegen, also etwas, was wir heute als etwas betrachten, das dem Evangelium diametral entgegenläuft. Und auch eine Heilige unserer Zeit ist nicht unumstritten: Mutter Theresa wird wegen ihres Einsatzes für die Armen von Vielen zurecht bewundert und verehrt, und obwohl sie von Johannes Paul II. selig- und von Franziskus heiliggesprochen wurde, hatte sie oft Zweifel und spürte wohl auch eine Gottesferne.
Ich muss gestehen, dass es mir Heilige näherbringt, wenn ich weiß, dass sie auch ihre Schwächen und Fehler hatten. Denn was ist denn eigentlich die Bedeutung von Heiligen in der katholischen Kirche? Zum einen dürfen und sollen sie verehrt werden, wir können sie um ihre Fürsprache bitten. Damit ist nicht gemeint, dass sie Christus oder Gott umstimmen sollten. Vielmehr geht es darum, dass wir uns als Gemeinschaft von Heiligen begreifen – also auch wir schon als Getaufte – weil wir Teil des Leibes Christi sind oder, wie es im Johannesbrief heute hieß: weil wir „Kinder Gottes sind“ und ihm einmal ähnlich sein sollen.
Heilige bilden damit keine Schnellstraße für unsere Gebete zu Gott. Mit unseren Gebeten können wir uns durch Christus schon direkt an Gott wenden. Die Heiligen machen uns vielmehr bewusst, dass wir zu einer Gemeinschaft gehören von Menschen, die nicht perfekt sind, aber sich gegenseitig zum guten Handeln ermutigen können. Anhaltspunkte dafür können wir aus der Bergpredigt nehmen: Menschen, die zu ihrer Armut und zu ihrer Begrenztheit „Ja“ sagen können.
Die Heiligen sind darin Beispiele für uns, sie sind aber keine Übermenschen. Heilige sind nicht schwarz und weiß, sondern eher grün und braun. Und gerade deswegen können sie eine hilfreiche Orientierung für mein Leben bilden.

